5.1 Kulturüberschuss in Weimar – Teil 1: Bauhaus und Hausbau
Im ersten Teil der Weimar-Saga checken wir Mietpreise, touren durchs Bauhaus und verraten, wie wir unterwegs an guten Kaffee kommen. Dazu noch ein Abstecher in die Welt der Fassaden. Es wird bunt...
Unterwegs mit Eve und Basti
Ein Wohnexperiment quer durch Deutschland.
Dank der kulturellen Dichte in Weimar mussten diesmal so viele Fotos rein, dass die Seite beim Editieren kurz vor der Implosion stand ☄️. Deshalb gibt's diesmal sogar zwei Teile. 🎉
Zwei Stunden Fahrt vom Silvester-Turm entfernt, trafen wir in der Weimarer Westvorstadt ein. Vor dem Check-In in unsere Unterkunft mussten wir etwas Zeit totschlagen und entschieden uns auf leeren Magen einen fettigen Burger zu essen. Im Nachhinein keine so schlaue Idee...
Unsere Wohnung lag im dritten Stock eines gemütlichen Altbaus, etwa fünfzehn Minuten von der Altstadt entfernt.
Hier lernten wir zum ersten Mal: Wer direkt in einer (Touri-) Stadt wohnen möchte, in Laufnähe zu Kunst und Kultur, der muss 1. schnell sein und 2. tief in die Tasche greifen.
Die dritte Schwierigkeit war, etwas für nur zwei Personen zu finden, statt Wohnungsgrößen für vier bis sechs. Mehr Platz, aber auch mehr Kohle... 💸
Mit ungefähr 2140 € war es eine der teuersten Unterkünfte auf der Reise – mit 110qm aber auch die Größte.
Knapp 19,50 € pro qm sind für eine Ferienwohnung tatsächlich noch relativ okay. (Dabei ist auch noch nicht die Airbnb-Servicegebühr weggerechnet, von der der Host eh nichts sieht). Mit regulären Mietpreisen darf man’s leider nicht vergleichen, sonst geht man gleich zum Weinen in die Ecke...
Zum Vergleich: In Station #9 war’s für eine Mini-Wohnung direkt in der Altstadt auf den qm gerechnet das 3-fache! (Aber wir wollen hier mal nicht vorweggreifen...😅)
Crazy shit pro Quadratmeter
Der durchschnittliche Quadratmeterpreis liegt übrigens (zum Zeitpunkt dieser Zeilen) laut Mietspiegel in Weimar mit 10,59 € noch ganze 4 € unter dem in Augsburg, mehr als 6 € unter dem in Hamburg 😱 – in Berlin sieht's ähnlich aus – und ganze 14 € (?!?!) unter dem in München 😶 🔫 .
Da denkt man fast an Umziehen...
In der sehr fotogenen, geräumigen Wohnung lernten wir noch zwei weitere Lektionen:
Was schön aussieht oder „Designer“ ist, ist nicht immer gemütlich (Couch...hust) oder praktisch. Außerdem werden Ferienwohnungen gerne auf Betten maximiert und nicht unbedingt zum Wohnen, sondern mehr zum Schlafen eingerichtet. Also eher für Touris statt Brezel Nomaden.
Bei drei Schlafzimmern, vier Betten, aber irgendwie null ordentlichen Tischen zum Arbeiten (oder fluffiger Couch zum Chillen) bringen einem großen Hallen auch nichts. 🤷♀️
Auf der Reise mussten wir häufig improvisieren, umräumen oder aufeinanderstapeln, um einen Arbeitsplatz zu schaffen. Notfalls gab's auch Online-Meeting (ohne Kamera) aus dem Bett. 🛌
Diesmal wurde die Couch im zweiten Schlafzimmer zum Bürostuhl, unser Ikea Reisetisch aus Station #1 kam wieder zum Einsatz, und die Kaffee-Tasse hatte noch auf dem Deko-Tischchen nebenan Platz. Feddig.
Ergonomisch waren die Improv-Büros meistens nicht. Aber der Rücken muss es ja nur zwei Jahre durchhalten 😬...
Coffee Time
Auch in Weimar setzten wir unsere Tradition fort, lokale Röstereien abzuchecken. Um auf der Reise ordentlichen Kaffee schlürfen zu können, hatten wir von Anfang an eine Basis-Ausstattung für Filterkaffee dabei. (Später kam eveeentuell noch mehr dazu 😬)...
Eine Waage, um Bohnen und Wasser abzumessen (30g auf 500ml 🤓), eine Handmühle und einen Filter mit Filterpapier. Die Thermo-Kanne kam in Station #2 noch dazu, weil einige Küchen dann doch kannenlos waren.
(Wir haben keine Affiliate-Links, aber wer etwas nachkauft und für gut befindet, darf uns persönlich danken 😏.)
Schleppen über Treppen
Bis auf seltene Ausnahmen konnten wir auf der Reise nur auf dem Hof oder – wie hier – irgendwo an der Straße parken. Einige Dinge aus dem Gepäck brauchten wir zwar selten(er) und hätten sie im Auto lassen können (wie Klamotten für den Sommer oder Werkzeug für den Notfall), aber auf offener Straße keine so schlaue Idee. 👮♀️
Die gesamte Ladung musste also in vier bis fünf Durchläufen in die Wohnung verfrachtet werden. Kurzzeitig bereuten wir etwas im dritten Stock ohne Aufzug gebucht zu haben...🥵
Statt riesiger Koffer haben wir viele kleine Taschen und Rucksäcke dabei: praktischer fürs Tetris im Auto und fürs Schleppen über Treppen.
Zu den Dingen, die wir selten brauchen, aber die im Fall der Fälle Gold 🥇 wert sind, gehören zum Beispiel WD-40 oder Filzkleber. Wenn das Schleifen des Stuhls am Boden einen in die Verzweiflung treibt (Station #1) oder das Quietschen der Badtür in der Nacht ständig jemanden aufweckt (wie hier), ist man froh, ein Nomaden-Prepper zu sein. 🫡
Auch neu für uns: Montagsdemos
Pünktlich jeden Montag Abend hupte es vor dem Fenster. Eine bunte Mischung zog vorbei aus Regenbogenflaggen, Antifa und Ärzte Musik. Danach noch ein paar Deutschlandflaggen, problematische Spruchbanner und Freiwild Mucke. Zum Schluss folgten Bauern mit Traktoren und Schildern gegen die Kürzung der Agrarsubventionen durch die Landwirtschaftsreform. – Insgesamt eine verstörende Mischung aus allen politischen Strömungen. Vereinte Uneinigkeit? 👀 🤷 😅
Bauhaus – Wenn's Kunst werden muss
Für unseren ersten Ausflug konnten wir gemütlich zu Fuß ins Bauhaus-Museum schlendern. Es wurde 2019 zum 100-jährigen Jubiläum des Staatlichen Bauhauses eröffnet.
Das damalige Bauhaus wurde 1919 von Walter Gropius in Weimar gegründet: Eine Schule, in der Kunst und Handwerk vereint wurden. So wollte man Architektur und Produkte schaffen, die sowohl funktionell als auch ästhetisch ansprechend sind – praktisch und fancy wie man heute sagen würde.
Die Schule existierte zwar nur 14 Jahre, war aber eine der bedeutendsten Schulen für Architektur, Design und Kunst im 20. Jahrhundert.
Paul Klee und Wassily Kandinsky gaben sich hier unter anderem die Klinke in die Hand.
„Form follows function“ haben wir zwar nicht dem Bauhaus, sondern dem Architekten Louis Sullivan zu verdanken – der Spruch war aber trotzdem das bauhäusliche Leitmotiv.
Was wir definitiv dem Bauhaus zu verdanken haben, sind die ganzen minimalistisch-funktionalen (wenn auch nicht immer sehr bequemen) Stühle. Wie den Freischwinger von Marcel Breuer.
Im Unterricht des Bauhaus gab’s Kurse zu Materialien, Farben und Formverständnis. In den Werkstätten lernte man, mit Metall, Textil, Keramik und mehr zu arbeiten.
Der Traum eines jeden handwerklich oder künstlerisch angehauchten Nerds. Wären wir ein paar Jahrzehnte eher geboren, hätte es uns wahrscheinlich beide hin verschlagen. – Doch dann wurde der PC erfunden... 🤓
Durch politischen Druck aus der konservativen Ecke musste das Bauhaus 1925 nach Dessau verlagert werden. 1933 wurde es letztlich geschlossen, weil die Nationalsozialisten es als umstürzlerisch und kommunistisch betrachteten.
Die Philosophie des Bauhauses war modern und zukunftsorientiert und machte sich durch seine Progressivität nicht nur Freunde. Später wollte man mit Design auch noch soziale Probleme lösen. Da wurde es vielen schon zu links. Zusätzlich zog es viele internationale Künstler an: Eklektisch bunter Mix statt germanischer Kurzhaarschnitt.
Quadratisch, praktisch, gut stand im Konflikt mit der „deutschen Handwerkstradition“. Statt auf historisch und traditionell, setzte man auf schlicht und modern. Statt dekorativ und verschnörkelt gab’s geometrischen Minimalismus.
Nach dem Ende des Bauhauses migrierten viele der Lehrer z.B. in die USA und prägten von dort die moderne Architektur.
So kommen wir nicht drumherum, mal was aus dem Bauhaus entsprungenes gesehen oder darauf gesessen zu haben.
Ner Lampe im Bauhaus-Stil sind wir alle schon begegnet.
Im Museum gab's nicht nur eine Ausstellung zur Geschichte des Bauhaus mit allerhand Kunst und Krimskrams. Im oberen Bereich beschäftigte sich eine Installation mit Fragen zur Lebensgestaltung von Heute und Morgen.
Fragen zum nachhaltigen Wohnen, gemeinschaftlichem Wohnen, flexiblen Grundrissen oder Verringerung der Wohnfläche. Auch eine Videoinstallation, in der Leute die Frage beantworteten: „Was brauchst du zum Wohnen?“
Jaja....die Frage stellten wir uns beim Packen damals auch. Sehr passend 😅. Die Antwort: Weniger als man denkt.
Beim Anblick der Schüssel „Milchmomente“ von Laura Strasser & Milia Seyppel wussten wir aber: Die brauchen wir mal zum Wohnen – wenn wir in nen Geldtopf fallen. 😆 💰
Stifte, Pizza und Kaffee auftanken
In der zweiten Woche verschlug es uns noch ein paar Mal für weniger kulturelle Angelegenheiten in die Stadt. So musste Basti gewisse Leute aus dem SchauSchau Shop rausscheuchen, bevor der bunte Design-Krimskrams zum Kauf verleiten konnte. Dabei war's noch nicht so schlimm wie im Stifte-Mekka aka Bastelladen die Tage zuvor. 👀
Zur Stärkung ging’s zwischendrin mal in die Pizzeria Napoli auf ne Pizza und Tortellini mit Gorgonzola, Birne und Walnüssen. 🤤 (Immer ne gute Idee mit leerem Magen zu schreiben...kurze Pause am Kühlschrank).
Auf dem Heimweg liefen wir immer an einem ominösen Turm vorbei, dessen Auge uns aus der Lücke zwischen den Häusern heraus anstarrte. Selbst Google weiß nicht, worum es sich dabei handelt. Mysteriös... 🕵️♀️
Mitten in der historischen Altstadt am Herderplatz befand sich unser nächstes Ziel: Das kleine Café der Röstbrüder – einer 2020 gegründeten Rösterei in Weimar. Hier kehrten wir für ein Tässchen ein und nahmen ein Bohnen-Probierpaket mit.
Für unsere Geschmacksknospen etwas zu traditionell geröstet. Aber wer ein Café hat, muss sich auch immer am lokalen Geschmack der Laufkundschaft orientieren.
Laut unserer Notizen (jaja es gibt ne Liste 😅) fanden wir sie generell „nicht schlecht“ – aber nicht so gut wie die Bohnen eines Erfurter Rösters, den wir vor Station #6 noch abcheckten 😎.
Die eigentliche Rösterei der Röstbrüder mit Werksverkauf und kleinem Ausschank befand sich etwas außerhalb der Altstadt – aber wie immer praktisch in Laufnähe zu unserer Wohnung 😏.
Ein paar Tage später spähten wir hier die Röstmaschine aus und probierten weitere Sorten, wie den Decaf Nüschte, den wir als „so lala“ einstuften (bissl arg dunkel geröstet). Mit Sicherheit besser als alles aus dem Supermarkt, aber nicht so gut wie ein Decaf, den wir in Station #15 mal ergattern konnten. 🙃
Fassaaaden 🤩
Wenn eine Sache in Weimar im Gedächtnis blieb, dann die vielen bunten und oft farblich abgestimmten Fassaden. An jeder Straße fand man alle möglichen Formen und Baustile. Wer (wie Eve) eine Obsession für fancy Fassaden hat, dem läuft hier die Kamera heiß. 📸 Regelmäßig musste Basti aufpassen, dass kein Unfall mit nem Laternenmast passierte, weil der Blick an den Häusern rechts und links statt auf dem Gehweg klebte.
Auf unsere Versuche, ein paar Bauten stilistisch einzuteilen, gibt’s keine Gewähr. Wer Architektur studiert hat, darf uns ne Korrektur-Mail schreiben 😬.
Auf den Fotos links und unten (auf dem Handy oben und unten) zwei Beispiele des Jugendstil, der deutsche Ableger des Art Noveau. Irgendwann zwischen 1890 und 1910 mal in Mode. Bevor die Simplizität des Bauhaus einzog, zahlte man noch für ornamentale Details, am liebsten mit Naturmotiven. Alles in organischen Linien und pastelliger Farbe. Ein Potpourri aus Symmetrie und Eleganz. – Fancy.
Das gelbe Haus oben, mit seiner symmetrischen Fassade könnte zum Stil der Neorenaissance gehören. Ende des 19. Jahrhunderts sehr beliebt. Hier gab's Rundbogenfenster mit dekorativen Umrahmungen und auch mal ein Mansarddach mit Gaubenfenstern. – Schick und geometrisch.
Das grüne Wohnhaus gehört dagegen stilistisch eher in die Bauhaus-Ära Anfang des 20. Jahrhunderts. Schlichte, klare Formen, symmetrisch und alles ohne Verzierungen. Große Fenster und wenig Schnickschnack. Typisch für Wohnhäuser in der späten Weimarer Republik. Zu der kommen wir in Teil zwei aber noch...
Soviel erstmal zum Ausflug in die Fassadenlandschaft. Optisch zählt Weimar wahrscheinlich zu den hübschesten Städtchen, die uns begegnet sind. Man merkt zumindest, dass hier nicht nur Dichter und Denker, sondern auch Künstler und Architekten hausten – und dass es genug Kohle für Restaurationen gibt 💰.
Apropos Dichter und Denker: Die sind im Teil 2 der Weimar-Saga dran: Nach unserem anfänglichen Ausflug zu Kunst und Kultur ging’s in der zweiten Monatshälfte erst auf eine Stadtführung für den Rundumschlag zur Weimarer Stadtgeschichte. Im schönsten Sonnenschein besuchten wir später Goethes Gartenhaus und bestaunten in unseren letzten Tagen die Amalia-Bibliothek. Eventuell gab's auch noch ein paar Fotos von...genau: Fassaaden. 🤗
Übrigens: In Weimar trafen wir auf unserer Tour zum ersten Mal auf das Ost-Ampelmännchen. Das rote Pendant folgt im nächsten Teil. 👋
P.S.: Wer hat gezählt, wie oft das Wort „fancy“ im Beitrag vorkommt? 😬
Veröffentlicht 04.01.2025
Letztes Update 24.03.2025